top of page

Deutsche Einwanderer

Erste deutsche Auswanderer kommen seit 1823 nach Costa Rica, vor allem nach der gescheiterten Revolution in den deutschen Staaten in den Jahren 1848/49. Unterstützt werden sie ab 1840 von der „Berliner Colonisations-Gesellschaft für Mittelamerika” unter Leitung von Baron Alexander von Bülow. Er steht Neuankömmlingen zur Seite, die im Hafen von Greytown (Nicaragua) ankommen und über die Flüsse nach Costa Rica gelangen. Costa Rica hat nämlich in dieser Zeit keinen Atlantikhafen für Seeschiffe. 

Die liberalen Regierungen in Costa Rica begrüßen diese Einwanderungsbewegung aus Europa, um die eigene Exportwirtschaft auszubauen. Die Zahl deutscher Einwanderer ist allerdings gering. Die Deutschen immigrieren allein oder mit ihrer Familie und nie in dem Umfang wie in die USA. Im Jahr 1864 ergibt eine Volkszählung lediglich 164 Deutsche in Costa Rica. 

Doch obwohl die deutschen Einwanderer zahlenmäßig unbedeutend sind, gelingt ihnen auffallend schnell der Aufstieg in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Elite des Landes (Abb. 1).

Die_Buchhandlung_der_deutschen_Familie_L

Abb. 1: Die Buchhandlung der deutschen Familie Lehmann im Jahr 1897
(Quelle: https://www.facebook.com/photo?fbid=286505752769306&set=gm.3812989592061404; letzter Zugriff: 26.7.2020)

Abb. 1: Helvetica Light ist eine Schriftart, die mit langen und dünnen Buchstaben gut zu lesen ist und zu jeder Website passt.

Am wichtigsten ist der Einfluss der Deutschen im Agrarsektor und vor allem bei der Kaffeewirtschaft. Im 19. Jahrhundert ist Costa Rica ein Agrarstaat, der vor allem Kaffee und Bananen produziert und vom Außenhandel abhängig ist. Durch die Beziehungen zu ihrem Heimatland bauen die Deutschen wichtige Handelsbeziehungen auf. Eine Rolle spielen dabei auch Firmengründer, die im Alter zurück nach Deutschland gehen und Konsulatsposten bekleiden.  

Grund für diese rasche Integration der deutschen Immigranten in Costa Rica ist das positive Bild Deutschlands und der Deutschen. Deutschland und seine Kultur stehen in Costa Rica für erfolgreiche Industrie, militärische Ordnung sowie kulturelles Erbe und die Einwanderer zeichnen sich aus durch harte Arbeit, Disziplin, Ehrlichkeit sowie Loyalität gegenüber dem costa-ricanischen Staat. Zudem knüpfen sie geschäftliche Allianzen mit Costa-Ricanern und heiraten in costa-ricanische Familien ein. 

 

Von 1850 bis 1950 haben deutsche Einwanderer einen beachtenswerten Einfluss auf die Geschichte des kleinen lateinamerikanischen Landes. Zu den bedeutendsten Familien zählen die Knöhrs und die Steinvorths, die größte und am meisten angesehene deutsch-costaricanische Dynastie innerhalb der Elite (Abb. 2)

Gründung einer Deutschen Schule

Die Deutschen in Costa Rica sind sich ihrer Herkunft stets bewusst. Sie wollen ihr Deutschtum bewahren und an ihre Kinder weitergeben. Deshalb schicken viele Deutsche ihre Kinder zur Ausbildung nach Deutschland, bis 1912 die Deutsche Schule in San José gegründet wird (Abb. 3), für das die Familie Steinvorth (siehe Abb. 2) das Gründungskapital stiftet.

Schueler_mit_dem_ersten_Schulleiter_Fran

Abb. 3: Schüler mit dem ersten Schulleiter Franz Krüger im Jahr 1912 in der Deutschen Schule in einem Wohnhaus in San José (Quelle: Schularchiv)

Im April 1912 informiert der deutsche Konsul Münztaler per Telegramm das Auswärtige Amt in Berlin über die Gründung der Schule und bittet um einen Zuschuss von 5000 Mark (Abb. 4), woraufhin die Reichsregierung 3000 Mark und Lehrmaterial zur Verfügung stellt.

In einem nächsten Schritt werden Lehrkräfte aus Deutschland angeworben, die nach den Vorstellungen des Schulvorstands über folgende Qualifikationen verfügen müssen: „takvolles Auftreten; vor allem müsste der Betreffende gut mit Kindern umzugehen verstehen und gegen die Eltern liebenswürdig und entgegenkommend sein; wünschenswert wäre auch, dass er sogleich durch sein Äußeres für sich einnimmt, worauf man hier viel gibt.”

 

Im Sommer 1912 trifft der erste Schulleiter der Deutschen Schule ein: Franz Krüger. Er hat bereits Auslandsschulerfahrung in Rumänien und Südafrika gesammelt und hat Schulbücher, Landkarten und Anschauungsmaterial im Gepäck. Am 1. Oktober 1912 kann die Schule für die ersten 19 Schülerinnen und Schüler den Unterricht aufnehmen.

Laut dem Jahresbericht von 1919, der sich im Schularchiv befindet, sieht die Schule mit dem angegliederten Kindergarten (Abb. 5) ihre zentrale Aufgabe darin, das „Deutschtum hochzuhalten: Das ist die deutsche Bildung und deutsche Schule!” Denn viele Mitglieder der deutschen Minderheit spüren, dass viele „Elemente in der deutschen Kolonie die innere Fühlung mit dem Deutschtum zu verlieren drohen.” Deshalb ruft der Jahresbericht seine Leser auf: „Lassen Sie uns das deutsche Bäumchen weiterhin pflegen und diese Zweige werden uns dann Blüten und Früchte bringe.”

Kinder_aus_dem_deutschen_Kindergarten.jp

Abb. 5: Kinder aus dem deutschen Kindergarten im Jahr 1914 (Quelle: Schularchiv)

Die Bedeutung der Transnationalität

Die Bedeutung der Transnationalität

Die Deutschen verstehen es, das Beste beider Welten zu vereinen, und sichern sich dadurch Ansehen und einen festen Platz in der Gesellschaft. Daran kann nicht einmal die anti-deutsche Stimmung während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) etwas ändern. Als Federico Tinoco Anfang 1917 an die Macht kommt, sucht er zwar die Nähe zu den USA und verhängt gegen deutsche Einwanderer Kaffeeexport-Verbote, aber es bleibt bei symbolischen Maßnahmen. Allerdings ist die Deutsche Schule während des Ersten Weltkriegs geschlossen.

Die Transnationalität ist die wesentliche Basis der deutschen Elite in Costa Rica, das heißt, sie bewahren im sozialen und wirtschaftlichen Bereich eine gesunde Balance zwischen ihrem Herkunftsland Deutschland und der neuen Heimat Costa Rica. 

Obwohl viele ihrer Kinder in Costa Rica geboren werden und Anspruch auf die costa-ricanische Staatsbürgerschaft haben, entscheiden sich bis vor dem Zweiten Weltkrieg die meisten für die deutsche Staatsbürgerschaft, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie mit dem deutschen Pass leichter reisen können. 

Durch die gelungene Integration wird es im Laufe der Zeit zunehmend schwierig zu definieren, wer zu den Deutschen in Costa Rica zählt. Viele sind mit Einheimischen verheiratet und nicht alle besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Zugehörigkeit zu Deutschland kann am ehesten am Festhalten an deutschen Traditionen

und der deutschen Sprache festgemacht werden. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird allerdings in vielen deutschstämmigen Familien Spanisch gesprochen. 

Um diese Gruppe im Rahmen unseres Projekts zu benennen, haben wir uns daher für die in Costa Rica gebräuchliche Bezeichnung „Alemanes” entschieden. 

Die Alemanes

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kann man die Alemanes in drei Gruppen einteilen: 

Zur ersten Gruppe gehören die älteren Vertreter der deutschen Elite, die vor den 1880er geboren und in Costa Rica etabliert sind. Sie hegen nostalgische Gefühle für das Deutsche (Kaiser-)Reich, trauern dessen einstiger Größe nach und beäugen die entstehende Demokratie in Deutschland skeptisch, aggressive nationalistische Gefühle liegen ihnen aber fern, dafür sind sie zu sehr mit der neuen Heimat Costa Rica verwurzelt. 

Vertreter der zweiten Gruppe sind ihre nach 1890 geborenen Kinder, die eine stärkere Verbundenheit zu Deutschland fühlen, da viele dort sozialisiert wurden. Viele sind im Kaiserreich zur Schule gegangen, haben Militärdienst geleistet und im Ersten Weltkrieg für das Kaiserreich gekämpft. Einige idealisieren den Krieg in ihren Erinnerungen, leiden unter der Schmach der deutschen Niederlage sowie den harten Bestimmungen des Versailler Vertrags. Sie haben das starke Bedürfnis nach einem wiedererstarkenden Deutschland und lehnen die Weimarer Republik und ihre diplomatischen Vertreter ab.

Am ausgeprägtesten und wesentlich aggressiver ist die nationalistische Gesinnung bei der dritten Gruppe, den nach 1900 geborenen ärmeren Alemanes. Sie wandern wegen der politischen und wirtschaftlichen Krise in Deutschland während einer neuen Auswanderungswelle nach 1919 ein und sorgen dafür, dass 1927 bereits 685 Deutsche in Costa Rica leben. 

Die Neuankömmlinge verfügen meist weder über eine feste Anstellung noch über viel Geld und werden von etablierten deutschen Auswanderern und speziell der wirtschaftlichen Elite der Alemanes misstrauisch beäugt. Man bezeichnet sie abfällig als „Landstreicher“ oder „Landplage“ und meidet den Kontakt mit ihnen, da sie als nicht gesellschaftsfähig gelten. 

Während die alteingesessenen Alemanes dem Nationalsozialismus eher ablehnend gegenüberstehen, fällt diese Ideologie vor allem bei dieser dritten Gruppe der Deutschen auf fruchtbaren Boden. Aber auch jüngere Mitglieder der Elite der Alemanes fühlen sich vom Nationalsozialismus angezogen. Gerade das wird der gesamten deutschen Minderheit noch zum Verhängnis und kann als wesentliche Ursache der späteren Krise betrachtet werden. 

Literatur: 

Berth, Christiane: La imigration alemana en Costa Rica. Migración, crisis y cambios entre 1920 y 1950 en entrevistas con descendientes alemanes, in: Revista de Historia de América 137 (Jan-Dez 2006), 2006, S. 9-31.

Berth, Christiane: Kaffeehandel in Krisenzeiten. Die Netzwerke deutscher Kaffee-Akteure in Zentralamerika 1919-1939, in: S. Kunkel / C. Meyer (Hg.): Aufbruch ins postkoloniale Zeitalter. Globalisierung und die außereuropäische Welt in den 1920er und 1930er Jahren, Frankfurt/New York 2012, S. 62-81.

Berth, Christiane: Biografien und Netzwerke im Kaffeehandel zwischen Deutschland und Zentralamerika 1920-1959 (= Hamburger Historische Forschungen 6), Hamburg 2014. 

50 Jahre Gemeinschaft erfahren. Evangelisch-Lutherische Kirche Costa Ricas 1955-2005, hg. vom Kirchenvorstand, San José 2005.

Meissner, Carlos Albrecht: A Resilient Elite: German Costa Ricans and the Second World War, unveröffentlichte Diss. New York 2010.

Montero Mora, Andrea M.: Club Alemán de Costa Rica. Más de un siglo de historia, San José 2010.

Mora, Dennis Arias / Christiane Berth: Die Berichterstattung der costaricanischen Konsuln. Politische Zurückhaltung, Dominanz wirtschaftlicher Fragen und restriktive Einwanderungspolitik, in: F. Bajohr / C. Strupp (Hrsg.), Fremde Blicke auf das „Dritte Reich”. Berichte ausländischer Diplomaten über Herrschaft und Gesellschaft in Deutschland 1933-1945. Göttingen 2011, S. 266-286. 

Nemcik, Christine C.: Germans, Costa Ricans, or a question of dual nationalist sentiments? The german community in Costa Rica. 1850-1950, unveröffentlichte Diss. Indiana 2001.

Schulchronik zum 100. Geburtstag, hg. vom Deutsch-Costaricanischen Kulturverein, San José 2012. 

Woodward, Ralph Lee: Las élitas nacionales, el estado y la empresa extranjera en Centroamérica (siglo XIX), in: T. Fischer (Hrsg.), Ausländische Unternehmen und einheimische Eliten in Lateinamerika. Historische Erfahrungen und aktuelle Tendenzen, Frankfurt/M. 2001, S. 31-48.

bottom of page